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Leseprobe
Moosecker, Jürgen :
Bio-/Medizinethik und Heilpädagogik. Analyse und Diskussion bio-
und medizinethischer Spannungsfelder - Präimplantationsdiagnostik
(PID) und Entscheidungen in der Neonatologie - vor dem Hintergrund
von Bezugsmaximen einer heilpädagogisch-ethischen Position in
Relation zum Zugang der Medizin und der Bio- / Medizinethik unter
der Betrachtung der Potentialität einer Differenzüberbrückung
im Rahmen der Diskursethik.
(Seite 2)
Zentrale These 1 der Gedankengänge ist, dass sich die Heilpädagogik
auf der einen Seite dieser Diskussion stellen muss, auf der anderen
Seite eine Grundierung ihrer Position zu verdeutlichen hat.
Dederich stellt heraus, dass diese "Debatte aus verschiedenen
Gründen eine große Herausforderung für das Fach dar[stellt]"
(2003, 7).
Für das gesteigerte Interesse in der Heilpädagogik nach
"Moralischen Fragen" (2000, 9) im Bereich der Bioethik lassen
sich nach Antor/Bleidick zwei epochale Entwicklungen verantwortlich
machen. Diese Entwicklungen scheinen "unsere gewohnten - wenn
auch nicht immer gelebten - normativen Bindungen zu untergraben"
(9):
Auf der einen Seite sind es die "Individualisierungen moralischer
Entscheidungen" (9), auf der anderen Seite der höchst ambivalente
Fortschritt in der Medizin und Molekular-biologie (9). Gerade die
Entwicklung zahlreicher neuer Techniken und medizinischer Möglichkeiten
ließen die ethischen Spannungsfelder für die Heilpädagogik
in der letzten Zeit noch verschärfen. Die Bandbreite dieser Entwicklungen
reicht von neuentwickelten diagnostischen Methoden, wie beispielsweise
der Präimplantationsdiagnostik (PID), den weitreichenden Folgen
etablierter Diagnostikmethoden, wie beispielsweise der Pränataldiagnostik
(PND), über Fragen von Abtreibung im Kontext einer Behinderung,
die schwierigen Fragen in der Neonatologie, bis hin zu fremdnütziger
Forschung an Nichteinwilligungsfähigen. Gerade in Verbindung
mit den von Antor/Bleidick (2000) postulierten "Individualisierungen
moralischer Entscheidungen" (9) wandeln sich vor diesen neuen
medizinischen und technischen Möglichkeiten scheinbar unangefochtene
ethische Grundsätze: "Man gewinnt heute den Eindruck, als
würde in moralischen Konfliktfällen [...] ein unbedingtes
Festhalten am Selbstbestimmungsgebot ganz selbst-verständlich
an die Stelle der bisherigen Unbedingtheit des Lebensrechts treten"
(9).
Gröschke sieht "Entwicklungen in unserer Lebenswelt, die
das Menschliche' überhaupt zur Disposition stellen"
(1993, 8) und deshalb eher das Erschrecken und die Verzweiflung in
diesem Kontext zur philosophischen Reflexion zwingen, denn wie zu
Zeiten Platons und Aristoteles das Staunen und die Verwunderung den
Menschen zur Philosophie veranlasst haben. Aus diesem Grund ist aufgrund
der "negativen Erscheinungen und Entwicklungen im Wertefundament
unserer Gesellschaft" (8) seiner Ansicht nach die ethische Reflexion
im Rahmen der Heilpädagogik "fast zwangsläufig real-pessimistisch
grundiert" (8).
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